Veröffentlichung:
FORUM, Die andere Meinung, Seite 7)
Ist das neue Übereinkommen nützlich,
oder liegt wirksamer globaler Schutz noch immer in weiter Ferne?
Von Arnd Bernaerts
Das Klima ist
inzwischen für viele Gemüter belastend - mehr, als es das
Wetter je war. Hier
soll jetzt das am 21.März 1994 in Kraft getretene
Rahmenübereinkommen über
Klimaänderungen eine Wende herbeiführen. So war es vor zwei
Jahren von mehr als
150 Staaten auf dem Umweltgipfel von Rio beschlossen worden. Dafür
hat sich
besonders die Bundesrepublik eingesetzt und als 45. Staat das
Ubereinkommen am
9. Dezember 1993 ratifiziert. Ziel ist es, das Klima vor dem Eingriff
durch den
Menschen zu schützen. Um diese Aufgabe tatkräftig anpacken zu
können, muß man
wissen, was Klima eigentlich ist. Doch über diese zentrale Frage
schweigt sich
das Übereinkommen aus.
Seit 150 Jahren wird Klima von der Wissenschaft definiert als das durchschnittliche Wetter in einer Region über einen längeren Zeitraum von rund 30 Jahren. Daß durchschnittliches Wetter auch dann durchschnittliches Wetter bleibt, wenn dieser Beschreibung ein anderer Name gegeben wird, hat bis vor wenigen Jahren niemanden gestört. Klima war denn auch nur ein Begriff in der Umgangssprache und in der Fachwelt selten zu hören. Was der Laie hinreichend genau mit sonnigem, mildem, regnerischem, maritimem und kontinentalem Klima bezeichnen konnte, wurde anderweitig nur in Statistik umgesetzt. Das Addieren und Teilen von Zahlen war Buchhaltertätigkeit von gesammelten Wetterdaten für die "Krummen und Lahmen" in meteorologischen Diensten. Der Altmeister dieser Zunft, der studierte Biologe Wladimir Köppen (1846-1940), brachte dies auf den Nenner: Die Witterung ändert sich, das Klima bleibt.
Nun stehen doch Klimaänderungen zur Diskussion. Modellrechnungen belegen dies, sagen Köppens Erben und begründen dies damit, daß die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre wie auch die Lufttemperaturen steigen. Was Klima jedoch sein soll, daüber schweigt sich das neue Ubereinkommen aus. Statt dessen werden nur Klimaänderungen und Klimasystem definiert. Über den Wert dieser Beschreibungen machten sich die Politiker keine Gedanken und akzeptierten sie als wissenschaftliche Definition (BT Drs. 12/4489 vom 5. März 1993). Dabei hätte jedoch auffallen müssen, daß es sich um nicht mehr als inhaltlose Formulierungen handelt. So soll "Klimasystem" bedeuten: die Gesamtheit der Atmosphäre, Hydrosphäre, Biosphäre und Geosphäre. Nachvollziehbar ist, daß sich jetzt jede klassische Naturwissenschaft für alle möglichen Vorhaben auf K1imasystemforschung berufen kann. Denn nach den jetzigen Vorgaben hätte man Klimasystem auch beschreiben können als das Zusammenwirken der Natur in ihrer Gesamtheit. Ein neues Etikett für den gebräuchlichen Begriff "Natursystem" ist überflüssig und keine Verständnishilfe für Politiker und Laien.
Zur Posse wird das Ubereinkommen,. wenn dort festgelegt wird: Klimaänderungen bedeutet Änderung des Klimas. Dieser Flop ist darauf zurückzuführen., daß die erste Weltklimakonferenz im Jahr 1979 den Versuchunternommen hat,Klimaänderungen als statistische Abweichung von der Beobachtungsperiode gegenüber einer weiteren Beobachtungsperiode zu beschreiben. Da man mit einem statischen Hilfsmittel eine Ursache nicht definieren kann, aber der Treibhauseffekt von Chemikern, Physikern und Meteorologen den Politikern und Laien als Ursache vermittelt werden sollte, wird gegenüber dem 1979er Erklärungsversuch für Klimaänderungen eine Beobachtungsreihe durch den anthropogenen Einfluß auf die Atmosphäre ersetzt und natürlich statistisch ermittelten Klimaschwankungen gegenübergestellt. Ursprünglich Nachvollziehbares, aber Nichtssagendes wird durch die jetzige Definition über Klimaänderung verbaler Unsinn.
Das Wissen ums Klima wird mit dem Übereinkommen nicht gefördert. Die Griechen verwendeten das Wort Klima (bedeutend: ich neige), um Zonen gleicher Breite und Sonnenhöhe zu beschreiben. Lange ist es her, als Klima nicht nur als eine statistische Größe bewertet wurde. Alexander von Humboldt (1769-1859) wollte darunter die Einflüsse der atmposphärischen Umwelt auf den menschlichen Organismus verstehen. Dieser Ansatz könnte einen Satiriker verleiten, den Gebrauch des Wortes „Klimaänderung" als nützlichen Einfluß auf menschliche Ängste zu beschreiben. Das Wort "Treibhausänderungen" hätte keinen vergleichbaren Effekt, und darauf konzentriert sich das Ubereinkommen.
Die Lage zum Klima ist aber zu ernst, als daß man hinnehmen könnte, ein Klimaübereinkommen zu begrüßen, das nicht vermitteln kann, was Klima eigentlich ist. Phantasiedefinitionen werden von nun an durch internationales Recht sanktioniert. Nun läßt sich alles als Klimapolitik verkaufen, obwohl inzwischen jedermann weiß, das der Schutz des Natursystems nachhaltige und vielfältige Anstrengungen bedarf. Hier wird das emotionale Verhältnis des Laien zum Wetter und Klima zum Mittel von Politik gemacht, ohne daß die internationale Politik hinterfragt, ob die Wissenschaft überhaupt definieren kann, was sie vorgibt zu verstehen. Eine klare Aussage darüber, wie das Klima zubeschreiben und zu definieren ist, muß jetzt unverzüglich eingefordert werden. Anderenfalls sollte eingestanden werden, daß man nicht weiß, was Klima ist. Das jetzige Klimaübereinkommen rechtfertigt seinen Namen nicht.